„Dirigieren ist wie den Vogel des Lebens in der Hand zu halten: Drückst du zu fest, stirbt er, lässt du zu locker, fliegt er weg.“ (5) S.58
Sir Colin Davis (1927-2013)
Führung spielt sich häufig im Spannungsfeld konkurrierender Anforderungen ab. Dazu können zum Beispiel die Paradoxien Schnelligkeit – Genauigkeit oder Traditionsbedürfnis – Veränderungsbedarf zählen. Welche es konkret sind, hängt vom Kontext ab. Unter Balancierter Führung verstehe ich den produktiven Umgang mit diesen Anforderungen. Ein Führungsfehler wäre es, diese Spannungsfelder abschaffen zu wollen, denn damit ginge ihr produktives Potential verloren. Balancierte Führung kann zum Beispiel gleichzeitig Tradition und Veränderung zulassen, sie muss nicht das eine für das andere opfern.
Ich möchte nun schildern, welche konkurrierenden Anforderungen für Dirigenten besonders herausfordernd sind und von ihnen auf inspirierende Weise gehandhabt werden.
Balance von Wahrnehmung und Einflussnahme
Die Führung von Orchestern braucht die Balance von Wahrnehmung und Einflussnahme. Das heißt, dass die Führung nicht die Wahrnehmungsfähigkeit der Musiker überschreiten darf. Ein Team kann Informationen bis zu einer bestimmten Grenze aufnehmen und verarbeiten. Wird diese Grenze überschritten, ist das Team übersteuert und wird durch das Übermaß an Impulsen in Orientierungsstress versetzt. Wird jedoch die Mindestbedarf an Führung unterschritten, wird das Team untersteuert und durch ausbleibende Impulse in Vakuum-Stress versetzt. Viele Führungskräfte neigen zum Über- oder Untersteuern ihrer Teams. Um dem daraus entstehenden Stress auszuweichen, ergreifen Mitarbeiter ergreifen dann Gegenstrategien.
Die Führungskomplikationen Übersteuerung und Untersteuerung sind in den folgen Beiträgen beschrieben.
Auszug aus: Huber, Lorenz: Balancierte Führung – Orchester und Teams für das gemeinsame Stück gewinnen, Rediroma Verlag 2020
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